Group show featuring Erdag Aksel, Anne-Lise Coste, Andreas Fischer, Thomas Locher, Bill Lundberg, Josephine Meckseper, Max Müller, Pedro C. Romero, Tomás Saraceno, Lasse Schmidt Hansen, Santiago Sierra, Stephen Willats
14.11.2014 - 30.01.2015
Living With A LOT OF Art ist der letzte Teil der Trilogie Living With Art (2012-2014) in der Galerie Reinhard Hauff. Mit über 130 außergewöhnlichen Arbeiten von 40 internationalen Künstlern aus den Jahren 1975 bis heute richtete die Trilogie bisher ihren Fokus auf Kunstwerke, die entweder aus - oder zu - Möbeln oder Haushaltsgegenständen gemacht wurden. Jeder der drei Ausstellungsteile beleuchtet dabei unterschiedliche Bedeutungsebenen: das Zuhause und dessen private Umgebung als Schauplatz der häuslichen Arbeit, Ruhe, Spiel- und Konfliktstätte geprägt durch seine jeweilige Identität und Geschichte. In Living With A LOT OF Art (mit dem Untertitel “Diskussionen”) richtet sich der Blick nun auf die architektonische Konstruktion und die Einschränkungen durch den physischen und intimen/persönlichen Raum. Und die Kunst, in einer entfremdeten Realität zu leben. Der Ausstellungsraum ist als immersives Umfeld angelegt in dem – zusammen mit den Besuchern – Performances aus den verschiedensten Bereichen des Kunstmediums stattfinden. Die eingeladenen Künstler Erdag Aksel, Bill Lundberg, Max Müller, Pedro G. Romero, Tomàs Saraceno und Santiago Sierra interagieren mit den Galerie-Künstlern indem sie Menschen betrachten, die in Räumen (eingesperrt) sind, bzw. die Räumlichkeiten in denen Menschen eingesperrt sind, eingeschlossen in ihrem zeitweiligen „Zuhause“ – ob das nun Gefängniszellen, Krankenhauszimmer oder Sozialwohnungssiedlungen sind. Die Tatsache wie sehr sich Menschen bemühen die Orte, die sie bewohnen, mit allen möglichen Symbolen und signifikanten Dingen (Kunst) intim und persönlich zu gestalten, unterstreicht den starken menschlichen Drang den Nihilismus der urbanen Brutalität zu überleben oder ihm zu entkommen.
Die Modelle und Designs für den geplanten Freizeit-Außenbereich des berühmten RAF-Gefängnisses Stammheim, Kunst am Bau - JVA Stuttgart Stammheim, Neubau eines Zellengebäudes mit 4 Freiganghöfen, 2013/2014 sind Josephine Meckseepers Beitrag zum vielbeachteten Wettbewerb, der hochkarätige Kunst in die eingeschränkte Welt der Freiheit von Gefängnisinsassen bringen will. Dass bei der Gestaltung dieses Freizeitbereichs die strengen Vorgaben beachtet werden mussten, um den Gefängniswärtern absolute Kontrolle und uneingeschränkte Überwachungsmöglichkeiten zu gewährleisten, stellte für die Künstlerin, die in ihren Arbeiten sonst gesellschaftliche Missklänge untersucht oder die glanzvolle Leere des Materialismus auf der anderen Seite des Vorhangs exponiert, eine ungewöhnliche Herausforderung dar. Ein ganz anderer Beitrag zum Wettbewerb um den Bau eines öffentlichen Platzes in Leipzig liefert das auf Schreibmaschine getippte zweiseitige Conceptual Monument von Santiago Sierra aus dem Jahr 2012, indem es den Wilhelm-Lauschner-Platz zum extraterritorialen Raum erklärt an dem keine regierende Instanz die Rechtshoheit beanspruchen kann und dessen Renovierungsbudget den Leipziger Bürgern zur Verfügung gestellt wird, um den Platz nach ihrem Willen zu verwalten und gestalten. Das Gefangen-Sein, das durch Alkohol und Sucht entsteht und die große Einsamkeit, das traurige Schicksal eines Trinkers – ein psycho-dramatischer „Ort“ – wird auf eindrucksvolle Weise in der Trinkerzelle (2000/2001) wachgerufen. Es stammt aus einer Reihe von großen, monumentalen Skulpturen aus Holz, Marmor und geschmiedetem Eisen des Stuttgarter Autodidakten Max Müller, Sohn des legendären Galeristen Hans-Jürgen Müller. Eine Gruppe von Zeichnungen von Anne-Lise Coste aus der Phase der späten 1990er Jahre bis 2010 – einige davon auch in der kürzlich erschienenen Publikation Anne-Lise Coste. Oú suis-je, Editons Patrick Frey, Zürich, 2014, abgebidelt – setzt sich einerseits mit dem Trauma verschiedener institutionalisierter Inhaftierungsformen auseinander, andererseits aber auch mit dem Verlangen auszubrechen, zu fliehen und zu verschwinden. Der Horror des Locked-In-Syndroms und die aufgezwungene Bewegungsunfähigkeit kommen in den frühen Kreidezeichnungen von leeren Krankenhauszimmern und –betten in Frankreich – Erinnerungen dort behandelter Asthma-kranker Kinder – zum Vorschein. Partir, partir loin ist die Antwort darauf; Der Kölner Bildhauer Andreas Fischer hat eine neue audio-kinetische Skulptur gestaltet, die an eine sehr enge Kabine erinnert und in etwa der Größe eines mobilen Toilettenhäuschens entspricht. Wer hineingeht, wird mit Sicherheit mit Klaustrophobie und dem extrem dringlichen Verlangen nach Flucht konfrontiert. Alternative Formen des Bauens und der Architektur sind Thema der Arbeiten des argentinischen Künstlers Tomàs Saraceno:Phoenix, 2013. Das Dedolight enthüllt die filigrane Fadenarchitektur eines eingekapselten Spinnen-Universums und erinnert dabei an futuristische Strukturen der Architektur. Eine weitere Arbeit, das geheimnisvoll schimmernde Skulptur-Diptychon Capella (Star) / Spica (Star) aus dem Jahr 2012, erweckt den Gedanken an außerirdische Gefilde und die mögliche Flucht auf andere Planeten, in andere Welten. Thomas Lochers Serie von gravierten Stuhlskulpturen aus glänzendem Metall (2012) ist eine physische Darstellung der Presence of Absence: der leere Stuhl, die fehlende Person, physische, emotionale und spirituelle Abspaltung. Die Abwesenheit als Objekt – dauerhaft und greifbar mit Titeln wie z.B. I AM NOT HERE WHERE YOU ARE, YOU ARE NOT THERE WHERE I AM. A Calculated Loss of Memory aus der Serie Objects of Hesitation war im Künstlerhaus Stuttgart Teil der ersten umfassenden Einzelausstellung des Istanbuler Künstlers Erdag Aksel, der für eine ganze Generation von aufstrebenden Künstlern und Künstlerinnen in der Türkei als Mentor gilt. In seinen hieroglyphen-artigen visionären Installationen benutzt er Holz-Lineale zur Entmaterialisierung und Reduktion auf der Suche nach Identität und Bedeutung. In der Videoarbeit La Casa des spanischen Künstlers Pedro G. Romero von 2005 “tanzt” der geniale Flamenco-Tänzer Israel Galvàn die räumliche Begrenzung, Nutzbarkeit, Atmosphäre und Natur einer bescheidenen Wohnung in einer anonymen Sozialwohnungssiedlung der Badia del Vallès in den Außenbezirken von Barcelona. Durch die Musik, die Leidenschaft der Choreographie und den energetischen Versuch des Tänzers die Räume “auszufüllen” sowie das Erforschen der Möglichkeit, eine individuelle Beziehung zu ihnen herzustellen, erfährt der Raum eine Verwandlung. Das Video ist eine außergewöhnliche Arbeit, die bereits Anfang des Jahres im Württembergischen Kunstverein Stuttgart ausgestellt war; sie wird unterhalb eines Triptychons des Konzeptkünstlers Stephen Willats aus Großbritannien von 1990 gezeigt, in dem soziale Wohnviertel und die verschiedenen Strömungen und Kombinationen von Personen, Dialogen und Energien des Viertels zu sehen sind. Der international renommierte Künstler Bill Lundberg, dessen Experimentalfilme aus den 1970er Jahren die psychologischen Anlagen der Isoliertheit/des Eingeschlossen-Seins zum Thema haben, zeigt eine seltene und wegweisende Filmskulptur mit dem Titel Cardplayers aus dem Jahr 1975. Der Film, der auf die Oberfläche eines Tischs projiziert wird um die Illusion von vier Kartenspielern, die rund um den Tisch verteilt sind, zu erzeugen, ist eines der frühesten Beispiele des Konzept-Films überhaupt – zeitlich noch vor Bill Viola und Tony Ousler. Als Nummer 1 aus einer Edition von nur 3 wurde diese erstklassige Museumsarbeit zeitgenössischer Film-Archäologie zum ersten Mal 1975 im ICA in London gezeigt. Photographing Landscape, some of it, 2008 ist eine Abfolge digitaler Bilder eines verschwommenen Orts am Horizont einer flachen Landschaft aus grünen Feldern, die auf eine Wand der Galerie projiziert wird. Die Arbeit des dänischen Künstlers Lasse Schmidt Hansen, kürzlich Teil der Ausstellung Mapping. Spaces. Netzwerke des Wissens in der Landschaftsmalerie des 17. Jahrhunderts, im ZKM Karlsruhe 2014, zeigt einen Ort an dem nichts passiert, wo sich nichts und niemand bewegt, und wird dadurch zu einer Metapher für die uneingeschränkte Freiheit draußen im Niemandsland.
Die Galerie Reinhard Hauff bedankt sich ganz herzlich beim Künstlerhaus Stuttgart, dem Württembergischen Kunstverein Stuttgart, Helga Müller, Mariposa, Andersen Contemporary und der Galerie KOW, sowie allen teilnehmenden Künstlern für deren außerordentliche Unterstützung bei der Umsetzung dieser Ausstellung.
Eine Publikation über alle drei Ausstellungen mit Texten von Burkhard Meltzer und Tido von Oppeln von der Zürcher Hochschule der Künste, Institut für Theorie ist geplant.
Living With A LOT OF Art is the last part of the 2012-2014 Living With Art trilogy at the Galerie Reinhard Hauff. With over 130 unique works from the period 1975 until today by 40 international artists, the Living With Art trilogy has so far focused on artworks converted to or from furniture and household items. All three shows look at different levels of meaning: the home and private scenery as setting for domestic work, rest, play and conflict, identity and history. In Living With A LOT OF Art (subtitled Discussions), the focus shifts to architectural construction and constraints of physical and intimate space. And the art of living in an alienating reality. The exhibition space is laid out as an immersive environment with works across artistic media performed with the audience. Invited artists Erdag Aksel, Bill Lundberg, Max Müller, Pedro G. Romero, Tomàs Saraceno and Santiago Sierra interact with gallery artists to look at people in (confined) space or the space of people confined, locked into temporary “homes” - be it in prison cells hospital rooms or social housing blocks. The efforts man makes to turn whatever space he/she inhabits intimate and personal with whatever symbols and signifiers (Art) available, underscore a powerful human drive to survive and escape the nihilism of urban brutalism.
The model and designs for the planned new outdoor recreational spaces of the famous RAF prison Stammheim, Kunst am Bau - JVA Stuttgart Stammheim, Neubau eines Zellengebäudes mit 4 Freiganghöfen, 2013/2014 is Josephine Meckseper’s contribution to the high profile competition aiming at bringing top quality art into the contained freedom of the inmates of the prison. That the recreational design presented adheres to the strictest specifications guaranteeing prison guards the complete control and unhindered surveillance at all times necessary for a high security facility is an unusual challenge for an artist who has often appropriated social discord and exposed shiny emptiness of materialism from the other side of the walls. Quite a different contribution to a competition for the creation of a public square in Leipzig is the typewritten two page Conceptual Monument from 2012 by Santiago Sierra, declaring the Wilhelm-Lauschner Platz an extra territorial space outside the jurisdiction of any governing instance and offering the population of Leipzig the sum of money budgeted for the renovation of the square to administrate and dispose of at liberty. Alcohol and addiction imposed Imprisonment and utter loneliness is the sorry lot of a drinker, a psycho-dramatic “ place” powerfully evoked in Trinkerzelle, 2000/2001 - from a series of large, monumental sculptural works in wood, marble and wrought iron by the autodidact Stuttgart artist Max Müller - son of legendary gallerist Hans-Jürgen Müller. A group of drawings from the late 1990’s until 2010 by Anne-Lise Coste - partly featured in the recently published book Anne-Lise Coste. Oú suis-je, Editons Patrick Frey, Zürich, 2014 - look at the trauma of various forms of institutionalized incarceration, on the one hand, and the desire to escape, to get out, to get away, to disappear on the other hand. The horror of locked-in-syndromes and forced immobility are sensed in the early colour crayon drawings of empty French hospital rooms and beds, which are memories of childhood asthma treatments. Partir, partir loin is the answer. The Cologne sculptor Andreas Fischer has created a new audio-kinetic sculpture in the likeness and dimensions of a very narrow cabin, roughly the size of a portable toilet. Go in there and be sure to experience claustrophobia and a loud urge to escape. Alternative forms of construction and architecture is featured in works by Argentinian artist Tomàs Saraceno: Phoenix, 2013. Dedolight exposes the filigree silk architecture of encased spiders universe recalling futuristic architectural structures. Another work is the magically glowing 2012 iridescent sculptural diptych Capella (Star) / Spica (Star) evoking extra galactic space and possible escapes to other planets, other worlds. Thomas Locher's 2012 series of shiny metallic engraved chair sculptures is a physical representation of the Presence of Absence: The empty chair, the missing person, physical, emotional and spiritual separation. The absence objectified, made permanent and tangible with a title such as I AM NOT HERE WHERE YOU ARE, YOU ARE NOT THERE WHERE I AM. A Calculated Loss of Memory from the series Objects of Hesitation were part of a the first comprehensive solo show installation at the Künstlerhaus Stuttgart by the Istanbul artist Erdag Aksel, who occupies a position of mentor to a whole generation of emerging artists in Turkey. Aksel’s hieroglyphic writing-on-the-wall installation uses wooden rulers to dematerialise and reduce in a search for the essence of identity and meaning. The brilliant Flamenco dancer Israel Galvàn "dances" the spatial constraints, utility and atmosphere and nature of a modest apartment in an anonymous social housing block of flats in the Badia del Vallès, on the outskirts of Barcelona in the 2005 video La Casa by Spanish artist Pedro G. Romero. The music, the passion of the choreography, and the dancer’s energetic attempt to “fill” the rooms and probing how to establish a personalised relationship to them, transforms the space. This video is an extraordinary work and was shown earlier this year at the Württembergische Kunstverein, Stuttgart. The video runs below a 1990 triptych by British conceptual artist Stephen Willats, featuring blocks of social housing flats and various flows and combinations of personalities, dialogues and energies in them. Internationally recognized American video art pioneer and film installation artist Bill Lundberg whose experimental films from the 1970’s deal with the psychological construction of containment, presents a rare and seminal film sculpture Cardplayers from 1975. The film, projected down on a table top to create the illusion of 4 card players around a table is one of the earliest examples of conceptual film, and predates Bill Viola and Tony Oursler. Nr. 1 of an edition of only 3 this museum quality piece of contemporary film archaeology was first shown at the ICA in London in 1975.Photographing Landscape, some of it, 2008, is a sequence of digital images of an indistinct place on the horizon of a flat landscape of green fields, projected on the gallery wall. The work by Danish artist Lasse-Schmidt Hansen, recently included in the ZKM Karlsruhe show, Mapping. Spaces. Netzwerke des Wissens in der Landscahftmalerie des 17. Jahrhunderts 2014, documents a place where nothing happens, and where nothing and nobody moves, and become a metaphor for the unrestricted freedom out there in nowhere.
The Galerie Reinhard Hauff wishes to extend a heartfelt thanks to Künstlerhaus Stuttgart, Württembergischer Kunstverein Stuttgart, Helga Müller, Mariposa, Andersen Contemporary and Galerie KOW, as well as all participating artists for invaluable support in realizing this exhibition.
A publication covering all three shows with texts by Burkhard Meltzer and Tido von Oppeln, of the Zürcher Hochschule der Künste, Institut für Theorie ith is being planned.
Santiago Sierra, 2012, „Conceptual Monument. Project for the Design Competition for the Leipzig Freedom and Unity Memorial.“ Typewriter on stationery (A4 format), 2 pages, framed, 29,7 x 21 cm each
Exhibition view: „Living With A LOT OF Art“, Galerie Reinhard Hauff, 2014
Exhibition view: „Living With A LOT OF Art“, Galerie Reinhard Hauff, 2014
Exhibition view: „Living With A LOT OF Art“, Galerie Reinhard Hauff, 2014
Exhibition view: „Living With A LOT OF Art“, Galerie Reinhard Hauff, 2014
Exhibition view: „Living With A LOT OF Art“, Galerie Reinhard Hauff, 2014
Exhibition view: „Living With A LOT OF Art“, Galerie Reinhard Hauff, 2014
Exhibition view: „Living With A LOT OF Art“, Galerie Reinhard Hauff, 2014
Exhibition view: „Living With A LOT OF Art“, Galerie Reinhard Hauff, 2014
Exhibition view: „Living With A LOT OF Art“, Galerie Reinhard Hauff, 2014
Exhibition view: „Living With A LOT OF Art“, Galerie Reinhard Hauff, 2014
Exhibition view: „Living With A LOT OF Art“, Galerie Reinhard Hauff, 2014
Galerie Elisabeth & Reinhard Hauff
Paulinenstr. 47
D – 70178 Stuttgart
Opening Hours:
Tuesday – Friday: 1 – 6 p.m.
and by appointment